Reporter ohne Grenzen hat in seinem Bericht zur Pressefreiheit 2022 Deutschland auf Platz 21 von insgesamt 180 Ländern eingestuft. Im Vorjahr lag Deutschland auf Platz 16. Zwar ist die Gesamtpunktzahl (81,91 von 100 erreichbaren) nur um 0,13 Punkte gefallen. Jedoch haben einige Länder wie Lettland, Luxemburg und Slowakei ihre Punktwerte verbessern können und sind dadurch in der Rangliste an Deutschland vorbeigezogen.
Vor allem das Kriterium „Sicherheit von Medienmitarbeitenden“ hat die Position Deutschlands verschlechtert. Insgesamt 103 Angriffe hat Reporter ohne Grenzen im Jahr 2022 dokumentiert (Vorjahr: 80). Mit 87 von 103 Fällen fand die große Mehrheit in verschwörungsideologischen, antisemitischen und extrem rechten Kontexten statt. Gefährlichster Ort waren wie in den Vorjahren Demonstrationen, meist gegen Coronamaßnahmen.
Eine Befragung der angegriffenen Journalist*innen durch Reporter ohne Grenzen zeigte, dass zwar etwa ein Drittel sich durch die Polizei unterstützt fühlte, knapp ein weiteres Drittel beklagte aber, anwesende Polizist*innen hätten Angriffen tatenlos zugesehen oder den Berichterstattenden die Schuld gegeben. In einigen Fällen berichten Betroffene auch von Übergriffen Polizeiangehöriger. Allgemein wird beklagt, dass Angriffe auf Journalist*innen selten von Polizei und Justiz verfolgt würden.
Der Bereich von Gesetzesvorhaben und EU-Verordnungen bietet ein zwiespältiges Bild. Reporter ohne Grenzen legt derzeit auch gegen das novellierte BND-Gesetz Verfassungsbeschwerde ein, das weiterhin ausländischen Journalist*innen weniger Schutz bietet als deutschen. Auch gegen den Einsatz von sogenannten Staatstrojanern zum Ausspähen von Computern nach dem Artikel-10-Gesetz klagt Reporter ohne Grenzen in Karlsruhe. Problematisch ist zudem die von der EU geplante Chatkontrolle. Ursprünglich zum Kinderschutz gedacht, würde sie auch in Deutschland eine fast komplette Überwachung privater und journalistischer Chats ermöglichen.
Grundsätzlich positiv dagegen bewertet Reporter ohne Grenzen den Digital Services Act (DSA) der EU, der die großen Internetkonzerne in die Pflicht nimmt. In die richtige Richtung geht auch der Entwurf des European Media Freedom Act, der Europa vor zunehmender Desinformation schützen soll. Hier fordert Reporter ohne Grenzen noch mehr Harmonisierung, um einzelnen Ländern möglichst wenig Spielraum zu geben, die Regeln auf nationaler Ebene zu verwässern.
Noch ausführlichere Informationen zur Lage in Deutschland findet ihr hier.